Erbrecht: Zur Mittellosigkeit des behinderten Kindes beim sog. „Behindertentestaments“

Gegenstand zahlreicher Entscheidungen aus dem Erbrecht in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des BGH ist die Frage der Sittenwidrigkeit eines sog. „Behindertentestaments“. Bei diesem Testament beschränkt der Erblasser sein behindertes Kind für den Erbfall so, dass dieser lediglich die Pflichtteilsquote oder knapp darüber erhält und dessen Betreuer somit nicht ausschlagen kann. Da der Sozialhilfeträger ein Interesse an der Unwirksamkeit eines solchen Testaments hat, da dann die gesetzliche Erbfolge mit einer deutlich höheren Erbquote eintreten würde, war in der Vergangenheit des öfteren die Anfechtung eines solchen Testaments Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der BGH hat solches „Behindertentestament“ grundsätzlich für nicht sittenwidrig und daher für grundsätzlich wirksam erachtet. Der BGH hatte sich nun in einer weiteren Entscheidung (BGH, Beschluss v. 10.05.2017 – Az.: XII ZB 614/16) mit der Frage zu befassten, ob das in einem sog. „Behindertentestament“als nicht befreiter Vorerbe eingesetzte behindertes Kind als mittellos anzusehen ist, wenn der im Testament bestimmte Testamentsvollstrecker im Rahmen der Dauertestamentsvollstreckung dem behinderten Kind gegen die Bestimmungen des Testaments, und somit pflichtwidrig, Mittel zuwendet. In dem zu entscheidenden Fall hatte nämlich nach dem Tode des Erblassers dem behinderten Kind einen Geldbetrag in Höhe von 29.100 €, was dem Wert des Erbteils des behinderten Kindes entsprach – zugewandt.

Im zu entscheidenden Fall stellte sich nun die Frage, ob diese Zuwendung die Mittellosigkeit des behinderten Kindes entfallen ließe und zugunsten der Staatskasse der Ersatz für Aufwendungen für die Bestellung und Tätigkeit des Betreuers hätte gefordert werden können.

Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH hat die Mittellosigkeit des behinderten Kindes trotz der Zuwendung bejaht. Die Freigabe der Mittel entgegen den Regelungen im Testament lasse die Mittellosigkeit des behinderten Kindes nicht entfallen. Denn der Testamentsvollstrecker hätte nach Bereicherungsgrundsätzen die zugewendeten Mittel zurückfordern und damit die Wiederherstellung des Verwaltungsrechts verlangen können.

Anmerkung: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt auch keine individuelle Beratung durch einen Notar oder Anwalt im jeweiligen Einzelfall!