Erbrecht: Erbrecht der vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kinder

Der BGH hatte in seinem Beschluss (Beschl. v. 12.07.2017 – IV ZB 6/15) über die rechtliche Frage zu entscheiden, wie nichteheliche, vor dem 01.07.1949 geborene Kinder erbrechtlich zu behandeln sind. Der Entscheidung lag (in vereinfachter Form) folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Verstorbene hatte eine nichteheliche Tochter. Diese ist 1928 geboren. Der Erblasser hatte keine weiteren Abkömmlinge. Der Erblasser und dessen nichteheliche Tochter hatten während der Teilung Deutschlands in Ost und West keinen Kontakt miteinander. Denn dessen Tochter lebte in der damaligen DDR, wobei es ihr verboten war, mit ihrem Vater irgendeinen Kontakt aufzunehmen. Nach der Öffnung der Mauer nahm die Tochter mit ihrem Vater Kontakt auf. Ihr Vater verstarb sodann im Jahre 1993. Zunächst konnte das zuständige Nachlassgericht keine Erben ermitteln. Im September 2009 jedoch hatte die nichteheliche Tochter des Erblassers zu ihren Gunsten einen Erbschein beantragt. Kurze Zeit darauf hatte auch der Neffe des Erblassers einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf sich gestellt. Das zuständige Nachlassgericht hatte dem Antrag des Neffen statt gegeben und den Erbschein auf ihn ausgestellt. Hiergegen erhob die nichteheliche Tochter Beschwerde

Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH gab der nichtehelichen Tochter Recht. Diese und nicht der Neffe sei Alleinerbe nach dem Erblasser geworden. Nach der Übergangsregelung in Art. 5 S. 2 des zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes sei die Tochter grundsätzlich nicht Erbin des Verstorbenen geworden. Denn die nichteheliche Tochter sei vor dem 01.07.1949 geboren und der Erblasser zudem vor dem 29.05.2009 verstorben. In Anwendung der Rechtsprechung des EGMR sei dies jedoch anders zu beurteilen. Zum einen habe der Neffe von der Existenz der nichtehelichen Tochter zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung eines Erbscheins Kenntnis gehabt. Zum anderen sei die nach § 197 Nr. 1 BGB einschlägige Verjährungsfrist von 30 Jahren für die Ansprüche aus § 2018 BGB noch nicht abgelaufen gewesen. Schließlich habe der Neffe nur ca. 3 Monate nach der sog. „Brauer-Entscheidung“ des EGMR seinerseits seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf sich gestellt. Ansonst wäre die Tochter des Verstorbenen in ihren Rechten verletzt, würde man ihr ein Erbrecht absprechen. Zudem sei die Übergangsregelung aus Art. 5 S. 2 des zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes teleologisch zu reduzieren. Zum einen bestehe eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz. Zum anderen sei der vorliegende Fall vergleichbar mit der Rechtssache „Brauer“. Denn das nichteheliche Kind habe in der DDR gelebt. Der Wohnsitz des Erblassers war – wie in genannter Entscheidung – in der BRD gewesen. Andere näher verwandte Erben habe es nicht gegeben. Und zwischen Erblasser und Kind habe es eine tatsächliche Nähebeziehung gegeben. Das Recht auf Gleichbehandlung der nichtehelichen Tochter gehe auch den Interessen des Neffen aus Art. 14 Abs. 1 GG vor.

Anmerkung: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt auch keine individuelle Beratung durch einen Notar oder Anwalt im jeweiligen Einzelfall!