Grundstücksrecht: Scheinbestandteilseigenschaft einer Windkraftanlage

Der BGH hatte in seinem Urteil (Urt. v. 07.04.2017 – Az.: V ZR 52/16) aus dem Grundstücksrecht über folgenden Sachverhalt (verkürzt) zu entscheiden:

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Windkraftanlage befindet. Der Kläger hatte dieses Grundstück 2014 von der ursprünglichen Eigentümerin erworben. Dessen Ehemann hatte Mitte der 1990 er Jahre eine Windkraftanlage auf deren Grundstück errichtet. Die Fläche, auf der die Windkraftanlage stand, pachtete er von seiner Ehefrau. Im Pachtvertrag war geregelt, dass nach Ablauf der Nutzungsdauer (20 Jahre) die Windkraftanlage wieder abgebaut werden sollte. 2006 veräußerte er die Windkraftanlage an die Beklagte. Diese pachtete ebenfalls den Teil des Grundstücks, auf dem die Windkraftanlage steht.

In dem dem BGH zur Entscheidung liegenden Sachverhalt ging es um die Frage, wer Eigentümer der Windkraftanlage ist. Der Kläger war der Ansicht, dass durch den “wirtschaftlichen Verbrauch” der Windkraftanlage diese keinen Wert mehr habe und deshalb in das Eigentum des Grundstückseigentümers als wesentlicher Bestandteils des Grundstücks nach § 94 BGB gegangen sei.

Der BGH folgte dieser Meinung nicht. Der Leitsatz des BGH lautet wie folgt:

“Eine Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Sache für ihre gesamte (wirtschaftliche) Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll.”

Der BGH war – entgegen der teilweisen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (OLG Celle, CuR 2009, 150, 151; OLG Rostock, GE 2004, 484 f.; Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 95 Rn. 11; ders., WM 2007, 861, 865; BeckOK BGB/Fritzsche, BGB [Stand: 01.11.2016], § 95 Rn. 5) der Meinung, dass der Eigenschaft als Scheinbestandteil nach § 95 BGB nicht entgegenstehe, dass die Windkraftanlage während der gesamten wirtschaftlichen Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben sollte. Für die Bejahung der Scheinbestandteilseigenschaft sei ein “Zeitmoment” und ein “Willensmoment” erforderlich. Das Zeitmoment – hier 20 Jahre – beziehe sich aber nach Ansicht des BGH allein auf die Verbindung mit dem Grundstück. Ein Bezug zur wirtschaftlichen Lebensdaher sei diesem nicht immanent. Da ein Pachtvertrag beliebig ergänzt, geändert oder etwa verkürzt erden könne, könne die “Verweildauer” der Sache jederzeit den Bedürfnissen angepasst werden. Die Entscheidung, wann die Sache vom Grundstück wieder entfernt werde, sei allein in der Entscheidungsgewalt des Einfügenden. Es könne auch keine Unterscheidung  zwischen eher kurzlebigen und langlebigen Sachen gemacht werden. Das Interesse des Einfügenden, über seine Sache jederzeit frei verfügen zu können, genieße Vorrang gegenüber dem Interesse des Grundstücksrechtsverkehrs an Klarheit und Publizität. Würde der “Verbrauch” der Sache während der Grundstücksnutzung dazu führen, dass ein Scheinbestandteil zu verneinen wäre , würde dies zudem zu nicht unerheblichen Rechtsunsicherheiten führen.

Fazit:

Soll eine Sache nur vorübergehend auf einem Grundstück verbleiben, handelt es sich um ein Scheinbestandteil i. S. v. § 95 BGB. Eigentümer dieser Sache ist nicht der Grundstückseigentümer, und selbst dann nicht, wenn die Sache für ihre gesamte wirtschaftliche Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll.

Anmerkung: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt auch keine individuelle Beratung durch einen Notar oder Anwalt im jeweiligen Einzelfall!