Reduzierung des Pflichtteils durch Schenkung

Wie lässt sich der gesetzliche Pflichtteil reduzieren bzw. ausschließen? – Rechtsprechung zum Pflichtteilsrecht

Wird eine Person, die nach dem Gesetz pflichtteilsberechtigt ist, enterbt, so kann diese bei Ableben des Erblassers gegen den Erben Pflichtteilsansprüche geltend machen. Nach § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden „BGB“) kann der Pflichtteilsberechtigte auch sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Gegenstände, wie zum Beispiel ein Hausgrundstücke, eine Wohnung etc., an Dritte verschenkt hat. Das bedeutet, dass der Gegenstand dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet wird und aus der Summe der Pflichtteilsanspruch berechnet wird. Nach § 2325 Abs. 3 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte diese Ansprüche jedoch nur 10 Jahre lang verfolgen, wobei pro Jahr ein Zehntel von dem Wert des Übergabegegenstandes abgezogen wird.

Häufig behält sich der Übergeber im Rahmen der Schenkung ein Nutzungsrecht zur Absicherung vor Weiterübertragungen und Schutz des Weiterlebens im Übergabeobjektes vor. Dabei war in Rechtsprechung und Literatur seit jeher strittig, ob überhaupt die 10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen beginnt oder rechnerisch weiterhin im Vermögen des Erblassers verbleibt. Der BGH hat seine Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen der letzten Jahre dergestalt verfestigt, dass die Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB nur dann zu laufen beginnt, wenn der Übergeber -kurz gesprochen- seinen Lebensstandard spürbar reduziert – beispielsweise das gesamte Haus nicht mehr wohnt, stattdessen in die kleine Einliegerwohnung zieht. Tut er dies nicht, also bewohnt beispielsweise weiterhin wie zuvor das gesamte Übergabeobjekt, so beginnt die Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB nicht zu laufen.

Gegenstand der zahlreichen Entscheidungen zur Reduzierung des Pflichtteil war immer die Übergabe unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts. Bislang gab es noch keine Entscheidung, in der es um den Vorbehalt eines Wohnungsrechts ging.

Gilt die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Pflichtteilsrecht auch bei Vorbehalt eines Wohnungsrechts?

Der BGH hat im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung auf die Übergabe unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts übertragen.

In seiner Entscheidung (Urt. v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15) hebt er hervor, dass eine Leistung nach § 2325 Abs. 3 BGB nur dann vorliege, wenn der Erblasser es aufgegeben habe, den verschenkten Gegenstand „im Wesentlichen weiterhin zu nutzen“. Der BGH stellt aber auch hier wieder (wie zumeist) auf die Umstände des Einzelfalls ab. Im zur Entscheidung gestandenen Fall war der BGH der Ansicht, dass die Übergeber nicht im Wesentlichen nicht mehr weiternutzten, da diese nur noch die Räumlichkeiten im Erdgeschoss nutzen durften.

Anmerkung: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt auch keine individuelle Beratung durch einen Notar oder Anwalt im jeweiligen Einzelfall!